Im Dienste der Aufarbeitung

Seit mehr als 40 Jahren arbeitet und publiziert der Historiker Hubertus Knabe über die DDR und andere sozialistische Staaten. Sein Oeuvre umfasst mehr als ein Dutzend Bücher sowie über zweihundert Aufsätze und Zeitungsartikel. Ein Überblick über ein Leben im Dienste der Aufarbeitung.

Von Redaktion

Nach der Flucht seiner Eltern aus der DDR wurde 1959 Hubertus Knabe in Unna geboren. Er studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Bremen und war von 1983 bis 1985 Pressesprecher der Fraktion der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft. Anschließend absolvierte er mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes einen zweijährigen Forschungsaufenthalt im damals noch kommunistisch regierten Budapest. Ab 1987 förderte das Evangelische Studienwerkes Villigst seine wissenschaftliche Arbeit mit einem Promotionsstipendium. Zugleich arbeitete er als Lehrbeauftragter an der Universität Bremen.

Seit Beginn seines Studiums unterstützte Knabe ostdeutsche Oppositionelle. So gründete er 1978 in Bremen ein Komitee für die Freilassung des Regimekritikers Rudolf Bahro und versorgte SED-Kritiker in der DDR mit verbotenen Büchern. 1982 erschien sein erstes Buch „Schwerter zu Pflugscharen“ über die unabhängige Friedensbewegung in der DDR (Pseudonym: Klaus Ehring). Der Staatssicherheitsdienst überwachte ihn deshalb auch in Westdeutschland und verhängte gegen ihn ein Einreiseverbot in die DDR.

1988 wurde Hubertus Knabe als Studienleiter an die Evangelische Akademie Berlin (West) berufen. Dort führte er zahlreiche kritische Tagungen und Veranstaltungen zur DDR durch. Zu den Gästen gehörten unter anderem Reiner Kunze, Stephan Krawczyk, Walter Janka und Hermann Weber.

Ablehnung eines Einreiseantrages in die DDR vom März 1985

1990 wechselte Knabe zum Rowohlt Verlag. Dort war er Mitherausgeber der Taschenbuchreihe „rororo aktuell“ und Verantwortlicher Sachbuchlektor beim Rowohlt Berlin Verlag. Unter seiner Verantwortung erschienen unter anderem die Bücher von Joachim Gauck „Die Stasi-Akten. Das unheimliche Erbe der DDR“, David Gill und Ulrich Schröter, „Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatomie des Mielke-Imperiums“, Joachim Walther „Protokoll eines Tribunals. Die DDR-Schriftstellerausschlüsse 1979“ und Chaim Noll „Nachtgedanken über Deutschland“.

Der Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin verlieh Hubertus Knabe 1991 die Doktorwürde. Das Thema seiner Dissertation lautete: „Möglichkeiten und Grenzen der Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn“. Unter dem Titel „Umweltkonflikte im Sozialismus“ erschien die Arbeit auch als Buch.

1992 ging Hubertus Knabe in die Forschungsabteilung der neu gegründeten Stasi-Unterlagen-Behörde. Dort war er Leiter des Fachbereiches zur wissenschaftlichen Erforschung von Struktur, Methoden und Wirkungsweise des DDR-Staatssicherheitsdienstes sowie Leiter der Arbeitsgruppe Opposition und Widerstand. Zu seinen Mitarbeitern gehörten unter anderem die ehemaligen DDR-Oppositionellen Jürgen Fuchs, Bernd Eisenfeld und Thomas Auerbach. Von 1993 bis 1996 war Knabe Dozent an der Universität Ljubljana. Im Auftrag des Deutschen Bundestages untersuchte er anschließend an der Stasi-Unterlagen-Behörde die West-Arbeit des DDR-Staatssicherheitsdienstes. Er veröffentlichte dazu mehrere Werke, darunter „Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen“ (siehe Publikationen).

Struktur und Methoden des Staatssicherheitsdienstes – Buchveröffentlichungen des Historikers Hubertus Knabe

Im Jahr 2000 berief der Stiftungsrat der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe zum Gründungsdirektor der Gedenkstätte im früheren zentralen Stasi-Gefängnis. Dort konzipierte er den Rundgang für die Besucher, sorgte für den denkmalgerechten Umbau der Haftanstalt zum Erinnerungsort und kreierte mit seinen Mitarbeitern die 2013 eröffnete Dauerausstellung. In seiner 18jährigen Tätigkeit als Direktor organisierte er zahlreiche Veranstaltungen, initiierte ein breites Forschungsprogramm und realisierte zahlreiche Drittmittelprojekte. Dabei arbeitete er mit Erinnerungsorten auf der ganzen Welt zusammen und setzte sich auch öffentlich für eine entschlossene Aufarbeitung des Kommunismus ein. Unter Knabes Leitung erhöhte sich die Zahl der Gedenkstättenbesucher von rund 60.000 auf annähernd 450.000 pro Jahr. Für seine Arbeit wurde er 2009 von Bundespräsident Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Hier finden Sie die Tätigkeitsberichte von Gedenkstättendirektor Dr. Hubertus Knabe:
1. Tätigkeitsbericht 2000-2002
2. Tätigkeitsbericht 2003-2004
3. Tätigkeitsbericht 2005-2006
4. Tätigkeitsbericht 2007-2008
5. Tätigkeitsbericht 2009-2010 (komprimiert)
6. Tätigkeitsbericht 2011-2012 (komprimiert)
7. Tätigkeitsbericht 2013-2014 (komprimiert)
8. Tätigkeitsbericht 2015-2016 (komprimiert)

Im September 2018 wurde der Historiker vom Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) überraschend gekündigt. Das Berliner Abgeordnetenhauses richtete dazu im Februar 2019 einen Untersuchungsausschuss ein. Zahlreiche Dokumente legen den Schluss nahe, dass die Kündigung politische Gründe hatte. Knabe selbst erklärte, dass Lederer nach einem Vorwand gesucht habe, ihn loszuwerden. Im Untersuchungsausschuss sagte er aus, dass ihm vor seiner Kündigung niemals irgendein Vorwurf gemacht worden sei. Die Besucherzahlen der Gedenkstätte sind inzwischen stark zurückgegangen.

Von Linken-Kultursenator Klaus Lederer gekündigt – Historiker Hubertus Knabe mit der Tochter des ermordeten russischen Dissidenten Boris Nemzow in der Gedenkstätte Hohenschönhausen im Mai 2015 

Der Historiker veröffentlichte mehrere grundlegende Werke zur Nachkriegs- und zur DDR-Geschichte, darunter „Der Diskrete Charme der DDR. Stasi und Westmedien“, „17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand“, „Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland“, „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur“, und „Honeckers Erben. Die Wahrheit über die Linke“. Knabe verfasst zudem regelmäßig Analysen für Zeitungen wie Die Welt, Neue Zürcher Zeitung, FAZ oder die Berliner Morgenpost. Seit 2020 arbeitet er an der Universität Würzburg, wo er die Aufarbeitung von Diktaturen im weltweiten Vergleich untersucht. Er ist Mitglied des Zeithistorischen Beirates der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Hier finden Sie eine Kurzbiografie und ein Porträtfoto zum Download. Sie können Hubertus Knabe auch auf Twitter folgen.