Der Blick nach rechts

Der Blick nach rechts
„Eher eine Heldengeschichte“ – Klingelschild der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin

Kritiker des Kommunismus als „rechtsradikal“ zu diskreditieren, hat eine lange Tradition. Schon der Volksaufstand am 17. Juni 1953 wurde von der SED als „faschistischer Putschversuch“ bezeichnet. Und vom Glauben an den Sozialismus abgefallene Intellektuelle wurden als rechte „Kalte Krieger“ verunglimpft. Dabei war der DDR-Staatssicherheitsdienst selbst nicht zimperlich, wenn es darum ging, auf der rechtsradikalen Klaviatur zu spielen.

Von Hubertus Knabe

In Zeiten, in denen ehemalige Stasi-Mitarbeiter, wie unlängst in der Amadeo-Antonio-Stiftung, Kritik an der SED-Diktatur als „rechts“, „weit rechts“ oder sogar „extrem rechts“ abstempeln, lohnt es sich, in die Geschichte zurückzuschauen. Denn schon immer war es eine beliebte und oftmals effiziente Methode der Verteidiger und Schönredner des Kommunismus, dessen Kritiker in eine rechte Ecke zu stellen.

Bereits vor 70 Jahren, als das Buch „Ein Gott der keiner war“ vielen Anhängern des Sowjetsystems die Augen öffnete, verbreiteten die kommunistischen Parteien die Behauptung, die Autoren seien hasserfüllte, rechtsextremistische Gegner der Sowjetunion – was nachweislich nicht der Realität entsprach. In Wirklichkeit waren die überzeugendsten Kritiker des Kommunismus wie Arthur Koestler, Manès Sperber oder Jürgen Fuchs meist selbst im jungen Alter seiner Faszination erlegen, von der sie sich erst nach einschlägigen persönlichen und politischen Erfahrungen lösten. Die fatalen Folgen eines Weltbildes, das die Anwendung massenhafter Gewalt zur Erreichung einer vermeintlich paradiesischen Zukunft für notwendig erklärte, kannten sie deshalb besser als andere.

Die falsche „Kommandeuse“

Auch beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953 bediente sich die SED der Waffe, den Protest gegen ihre Diktatur als „faschistischen Putschversuch“ zu diskreditieren. Die vom Sozialismus überzeugten Intellektuellen erwiesen sich dabei als hilfreiche Propagandisten. Zum „Beweis“ ihrer Behauptung schreckte die DDR nicht einmal vor einem Justizmord zurück. Beim Sturm auf das Gefängnis in Halle war damals auch eine geistesgestörte Betrügerin namens Erna Dorn freigekommen. In der Haft hatte sie unter anderem herumphantasiert, Hundeführerin im KZ Ravensbrück gewesen zu sein und mehrere Menschen von ihren Hunden zerfleischen haben zu lassen. Obwohl sie am Aufstand in keiner Weise beteiligt war und auch niemals in einem KZ gearbeitet hatte, wurde sie fünf Tage später zur Untermauerung der SED-Propaganda als vermeintliche Haupträdelsführerin zum Tode verurteilt. In seiner Erzählung „Die Kommandeuse“ schilderte der Schriftsteller Stephan Hermlin die Frau ein Jahr später als blutrünstiges Monster, das von alten Nazis aus dem Westen befreit worden sei.

„Faschistischer Putschversuch“ – sowjetischer Panzer beim Aufstand am 17. Juni 1953 in Leipzig (1)

Auch in späteren Jahren diskreditierte die DDR ihre Kritiker immer wieder als rechtsradikal oder faschistisch. Vom Berliner Bischof Otto Dibelius über den früheren Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmeier bis hin zum Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte Gerd Poppe reicht die lange Liste derer, denen in der DDR fälschlicherweise eine faschistische Vergangenheit oder Gesinnung unterstellt wurde. Unnötig daran zu erinnern, dass die SED-Bezeichnung „antifaschistischer Schutzwall“ für die Berliner Mauer ebenfalls dazu diente, die demokratische Bundesrepublik als nazistisch zu diffamieren.

Nicht jedermann bekannt dürfte indes sein, dass sich der Staatssicherheitsdienst selber aktiv an rechtsextremistischen Aktivitäten beteiligte, diese förderte oder wohlwollend duldete. Getreu dem Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“ tat er es immer dann, wenn es ihm im Dienst an der guten Sache des Sozialismus von Nutzen erschien.

Ein Beispiel dafür ist eine Kampagne des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) kurz vor dem Mauerbau 1961. Damals, als die Bürger der DDR scharenweise dem Sozialismus den Rücken kehrten, sollte der Eindruck erweckt werden, dass die wirtschaftlich erfolgreichere und politisch demokratischere Bundesrepublik ein Hort unbelehrbarer Nationalsozialisten sei, die am liebsten das verbrecherische Regime Hitlers zurück hätten. Dabei ging es dem Staatssicherheitsdienst weniger darum, die eigenen Bürger davon zu überzeugen, als die Rückkehr der Bundesrepublik in die Völkerfamilie zu torpedieren.

Stasi-Drohbriefe an Holocaust-Überlebende

Einen vermeintlich passenden Anlass dafür bot der Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der zwischen dem 11. April und dem 15. Dezember 1961 in Jerusalem stattfand. Da Eichmann im Reichssicherheitshauptamt eine zentrale Rolle bei der Deportation und Ermordung der Juden gespielt hatte und vom israelischen Geheimdienst aus Argentinien gewaltsam entführt worden war, zog der Prozess nicht nur in Deutschland enorme Aufmerksamkeit auf sich.

Stasi-Aktion für einen Massenmörder – Adolf Eichmann bei seinem Prozess in Jerusalem (1961)
„Habt Ihr noch nicht genug, Ihr Judenschweine? 5 Millionen reichen Euch wohl noch nicht? Dich hat man wohl vergessen zu vergasen? Deutschland erwache! (1 Deutscher)“ (Drohbrief des DDR-Staatssicherheitsdienstes)

In dieser Situation kamen Mitarbeiter der Stasi-Kirchenabteilung auf die Idee, anonyme Drohbriefe an Überlebende des Holocaust in der Bundesrepublik zu schicken. In einer Mappe der Hauptabteilung XX/4, die bei der Aktenvernichtung im Herbst 1989 übersehen worden war, haben die Entwürfe der Schreiben überlebt. In einem der dort säuberlich abgehefteten Briefe hieß es zum Beispiel: „Habt Ihr noch nicht genug, Ihr Judenschweine? 5 Millionen reichen Euch wohl noch nicht? Dich hat man wohl vergessen zu vergasen? Deutschland erwache! (1 Deutscher).“ Und ein anderer Brief drohte einem westdeutschen Juden: „Auch Du stehst auf unserer Liste. Wir werden das vollenden, was unser Kamerad Eichmann begonnen hat!“

Zur Beschaffung der Adressen jüdischer Bürger hatte das MfS im Rahmen der der „Aktion ‚J'“ – so der Deckname der Kampagne – eigens einen inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter nach München entsandt, der der Stasi eine lange Liste mit Anschriften mitbrachte. Als Absender der Briefe sollten dabei Personen fungieren, die nach Erkenntnissen der Stasi bereits mit antisemitischen Äußerungen hervorgetreten waren. Auf diese Weise sollte ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit erreicht werden.

Die „Aktion ‚J'“ sah überdies vor, mit denselben Methoden auch die verschreckten Gegenreaktionen der bedrohten Juden vorzutäuschen. Die Stasi formulierte deshalb auch Briefe, in denen die Empfänger der Drohbriefe erschüttert darüber Klage führten. Aus Augsburg sollte beispielsweise ein Brief abgesandt werden, in dem es hieß: „Auf der Jahresversammlung unserer Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg am 15.4.1961 hat unser erster Vorsitzender, Herr Ludwig Müller, auch über die antisemitischen Zwischenfälle bei uns berichtet. Weil ich selbst Opfer derartiger Beschimpfungen geworden bin, schreibe ich diesen Brief. Ich getraue mich nicht meinen Absender anzugeben, sonst befürchte ich, könnten noch schmutzigere Angriffe gegen mich stattfinden. Die Herren, die vor meiner Wohnung Hakenkreuze ‚verloren‘ haben, die mir schon drei Schmierbriefe ins Haus gesandt haben, fühlen sich schon so sicher, dass sie ihren Antisemitismus öffentlich zu Wort kommen lassen“.

Aktion „Vergißmeinnicht“

Eine weitere Aktion des MfS trug den zynischen Tarnnamen „Vergißmeinnicht“. Sie sah vor, unter dem Absender der rechtsextremen Deutschen Reichspartei (DRP) einen Rundbrief an gleich gesinnte Organisationen in Westdeutschland zu verschicken. In dem Brief wurde dazu aufgerufen, „gemeinsam finanzielle Mittel zur Verteidigung Eichmanns zu schaffen und durch eine antisemitische Welle die Notwendigkeit der Judenvernichtung propagandistisch zu rechtfertigen“.

Stasi-Aufforderung zu antisemitischen Aktionen – Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin

Ähnliches plante das MfS im Namen der Gesamtdeutschen Partei (GVP), der auch die späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Johannes Rau angehörten. Das Programm der Partei sah unter anderem den „Schutz des deutschen Volkes gegen kollektive Verunglimpfungen“ vor. Unter diesem Gesichtspunkt, so heißt es in einem überlieferten Stasi-Dokument, „müssen von der Leitung dieser Partei verfasste Schreiben an die Landesverbände gesandt werden mit Aufforderungen zu antisemitischen Aktionen“.

„Wir sind Kameraden der Waffen-SS, die es auf sich genommen haben, der Beschimpfung des deutschen Namens und der deutschen Ehre ein Ende zu setzen.“ (Stasi-Kettenbrief)

Mit Datum vom 20. April 1961 – dem Geburtstag Hitlers – verfasste die Stasi schließlich einen sogenannten Kettenbrief. Darin schrieb sie: „Wir sind Kameraden der Waffen-SS, die es auf sich genommen haben, der Beschimpfung des deutschen Namens und der deutschen Ehre ein Ende zu setzen. […] Dieser Brief soll zur Bereitschaft aufrufen, zum offenen Kampf gegen den jüdischen Bolschewismus. Wir haben den Kampf wieder aufgenommen. Unsere Kameraden haben bereits in verschiedenen Gauen gegen die Juden losgeschlagen“. Die Empfänger des Briefes wurden aufgefordert, ihn abzuschreiben und weiterzuverbreiten.

„Ostgeld“ für Rechtsradikale

Der Verdacht, dass rechtsradikale Organisationen in der Bundesrepublik von der DDR unterstützt wurden, war bereits in den 1950-er und 1960-er Jahren geäußert worden. Er konnte aber damals nicht mit Dokumenten belegt werden. So war bereits 1955 bekannt geworden, dass der Herausgeber der von der DDR finanzierten Zeitschrift „Nation“, Rudolf Steidl, den Vorsitzenden des Kreisverbandes Nienburg der rechtsradikalen DRP mit einer Spende von 2 000 DM unterstützt hatte.

Die DRP agitierte seinerzeit gegen die Westintegration der Bundesrepublik, was ganz auf der Linie der DDR lag, die auch im linken Lager die Proteste gegen die Wiederbewaffnung anheizte. 1961, dem Jahr der Aktion „Vergißmeinnicht“, wurden erneut Vorwürfe laut, dass der Vorsitzende der DRP, Adolf von Thadden, „Ostgeld“ in Empfang genommen habe, was schließlich dazu führte, dass er vorübergehend von seinem Amt suspendiert wurde.

„Ostgeld“ für Rechtsradikale – Adolf von Thadden, Vorsitzender der Deutschen Reichspartei, später der NPD

So wie die DDR die linke neutralistische Bewegung nach Kräften unterstützte, so griff sie auch dem Nationalismus auf der rechten Seite unter die Arme. So enthüllte der Herausgeber der „Internationalen Militärkorrespondenz“, Rudolf Steidl 1955, dass sein Blatt bis dahin mit mehr als einer halben Million D-Mark von der SED subventioniert worden sei. In die von 1953 bis 1954 in München erschienene Deutsche National-Zeitung seien sogar 1,6 Millionen DM geflossen. Zwischen 1951 und 1959 kamen in Westdeutschland insgesamt sieben von der DDR unterstützte Zeitschriften mit neutralistisch-nationalistischem Hintergrund heraus.

Der Herausgeber der extrem konservativen Blätter „Die Sicht“ und „Deutsche Einheit“, Gerhard Walleiser, wurde 1957 sogar als MfS-Agent verhaftet. Unter seiner Ägide waren in den Publikationen der auch im Bundestag vertretenen Partei „Gesamtdeutscher Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ immer wieder pro-östliche Artikel erschienen.

Hakenkreuzschmierereien in Ulbrichts Auftrag

„Wenn man die Meldungen aneinanderreiht, könnte man meinen, eine weit verstreute Brigade des Teufels habe Urlaub genommen und sei auf uns losgelassen worden.“ (Willy Brandt)

Als die Bundesrepublik zur Jahreswende 1959/1960 eine Serie antisemitischer Anschläge erlebte, wurde bald ebenfalls die DDR als Urheber vermutet. In der Weihnachtsnacht 1959 hatten zwei Mitglieder der DRP die neu errichtete Synagoge von Köln mit Hakenkreuzen und antisemitischen Losungen beschmiert. In den darauffolgenden fünf Wochen wurden insgesamt 684 weitere Vorfälle dieser Art registriert. „Wenn man die Meldungen aneinanderreiht, könnte man meinen, eine weit verstreute Brigade des Teufels habe Urlaub genommen und sei auf uns losgelassen worden“, erklärte damals der Berliner Bürgermeister Willy Brandt.

Der Verfassungsschutz informierte seinerzeit Bundeskanzler Adenauer, dass nicht der Teufel, sondern das MfS an der Kölner Aktion beteiligt gewesen sei. Auch die DRP, die die beiden Täter umgehend aus ihren Reihen ausschloss, sowie mehrere übergelaufene KGB-Agenten machten „den Osten“ für die Aktionen verantwortlich. Aus dem Amt Gehlen, dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes, verlautete sogar, dass unter Vorsitz von SED-Chef Walter Ulbricht der geheime Einsatz von Aktionskommandos gegen jüdische Einrichtungen in Westdeutschland besprochen worden sei.

Mit Hakenkreuzen beschmiert – Synagoge in der Kölner Roonstraße © A.Savin, Wikimedia Commons

Der Düsseldorfer Verfassungsschutz legte später eine umfangreiche Analyse zu den Vorfällen vor. Darin schrieb er, DDR-Minister Fritz Selbmann hätte 1954 erklärt, man werde zur Destabilisierung der bundesdeutschen Wirtschaft auch den Antisemitismus in Westdeutschland schüren, „selbst auf die Gefahr hin, dass einige Juden darunter leiden müssen“. Und SED-Chef Walter Ulbricht hätte bei einer Sitzung des Zentralkomitee am 23. Januar 1959 mitgeteilt, dass beschlossen worden sei, „durch Aktionskommandos jüdische Kultstätten in der Bundesrepublik mit nazistischen Emblemen zu beschmieren.“

Auffällig war auch, dass für die antisemitischen Schmierereien meist keine Altnazis, sondern junge Leute verantwortlich waren. Laut Verfassungsschutz waren etwa drei Viertel der überführten Täter höchstens 30 Jahre alt und viele nicht einmal volljährig. Einer der beiden Täter von Köln, Paul Schönen, war mehrfach in der DDR gewesen und hatte sich dort ein SED-Abzeichen besorgt, das er auch bei Veranstaltungen trug. Und als eine Gruppe rechtsextremer Jugendlicher im Januar 1960 im Glienicker Schlosspark eine Sonnenwendfeier durchführten, gestand einer von ihnen, ein DDR-Agent zu sein.

Im Vorfeld der Pariser Vier-Mächte-Konferenz belastete die braune Welle erheblich den internationalen Ruf der Bundesrepublik. In London demonstrierten damals 20.000 jüdische Kriegsveteranen, auch in New York versammelte sich vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik eine aufgebrachte Menge. Und die DDR schlachtete die Negativnachrichten propagandistisch weidlich aus. Auch jüdische Organisationen und viele ausländischen Medien sahen in den Schmierereien einen Beleg, dass der Nazismus in der Bundesrepublik noch immer virulent war – obwohl sich alle verantwortlichen Politiker entsetzt zeigten und die Gerichte gegen die Urheber oft harte Strafen verhängten.

Dass bei den antisemitischen Aktionen östliche Geheimdienste mitwirkten, belegte das SED-Zentralorgan Neues Deutschland sogar selbst. Am 9. Mai 1961, dem sowjetischen Tag des Sieges über Hitler-Deutschland, berichtete es über eine Flugblattaktion in Mainz und zitierte aus den Schmähschriften. Tatsächlich fand die Verteilung der Flugblätter jedoch erst einige Tage später statt.

Rechtsradikale Stasi-Agenten

Auch in späteren Jahren agierte das MfS in rechtsextremen Organisationen der Bundesrepublik. Im Umfeld der sogenannten Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten, Kampfgruppe Priem sowie der Wehrsportgruppe Hoffmann hatte die Abteilung XXII/1 1988 jeweils bis zu drei IM platziert. Als sehr ergiebig erwies sich dabei der direkte „operative Kontakt“ zu dem Rechtsterroristen Odfried Hepp.

Sogar im Bundesvorstand der NPD war das MfS vertreten: Im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes war einer ihrer Agenten, der Journalist Lutz Kuche, in den sechziger Jahren der Partei beigetreten. 1970 wurde er Bundesvorsitzender ihrer Studentenorganisation und damit Mitglied des Bundesvorstandes. Für seine dreiundzwanzigjährige Agententätigkeit, die erst im Dezember 1989 ihr Ende fand, erhielt Kuche vom MfS mindestens 850 000 DM. Er und weitere MfS-Agenten trugen oftmals über Jahre hinweg zur Verbreitung rechtsextremen Gedankengutes in Westdeutschland bei.

Skinheads als Stasi-Mitarbeiter – die Ost-Berliner Zionskirche

Selbst im eigenen Land trat das MfS dem Neonazismus lange Zeit kaum entgegen. Bis in die späten 1980-er Jahre hat die Stasi die rechtsradikale Orientierung einer wachsenden Zahl von DDR-Jugendlichen weitgehend ignoriert – wie aus der Dissertation des ehemaligen Oberstleutnants der DDR-Kriminalpolizei, Bernd Wagner, über den „Rechtsradikalismus in der Spät-DDR“ hervorgeht. Und als am Abend des 17. Oktober 1987 30 Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche stürmten und die Besucher verprügelten, ließ die vor der Kirche postierte Polizei sie einfach gewähren.

Erst nach westdeutschen Presseberichten, die das selbst verliehene Image der DDR als „antifaschistischer Staat“ gefährdeten, wurden die Täter verhaftet und zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Stasi-Mitarbeiter mischten nun auch in der Neonazi-Szene der DDR kräftig mit. Laut Unterlagen des MfS waren im Frühjahr 1988 von 267 registrierten Ost-Berliner Skinheads 33 für den Staatssicherheitsdienst tätig.

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die Bundesrepublik – und nicht die DDR – ein Problem mit Neonazis hatte, entfaltete die Stasi bis zuletzt größte Anstrengungen. Nach dem Ende der SED-Diktatur legten ehemalige Stasi-Mitarbeiter offen, dass auch der bayerische Journalist Kurt Hirsch unter dem Decknamen „Helm“ für die Abteilung Desinformation und Aktive Maßnahmen tätig war. Hirsch hatte jahrelang Material über neonazistische Aktivitäten in der Bundesrepublik gesammelt und öffentlichkeitswirksam angeprangert. Schon 1960 stellte er in einem Buchtitel die Frage: „Kommen die Nazis wieder?“. In den 1970-er Jahren organisierte er dann den so genannten Presseausschuss der Demokratischen Aktion (PDA), einen „Zusammenschluss von Publizisten, die sich vornehmlich mit der Beobachtung und Bekämpfung rechtsradikaler Tendenzen in der BRD“ befassten, wie es 1972 in einer Selbstdarstellung hieß.

Gründung eines Stasi-Mitarbeiters – der „blick nach rechts“

Unter dem Dach der Organisation, die sich inzwischen Presseausschuss demokratische Initiative (PDI) nannte, erschien unter anderem eine Schriftenreihe, in der Broschüren über konservative CDU-Politiker und rechte politische Strömungen erschienen. Bis 1984 entstanden über hundert Hefte und Taschenbücher mit einer Gesamtauflage von über dreihunderttausend Exemplaren. Eine Journalistin, die eng mit Hirsch zusammengearbeitet hatte, offenbarte 1987, dass Hirsch ständig Zuwendungen aus der DDR bekommen hätte. Von seinen Reisen nach Berlin und Salzburg sei er mit Manuskripten zurückgekehrt, über deren Ursprung er strenges Stillschweigen bewahrte – zum Beispiel über heimliche Wahlkampfspenden an die CDU/CSU.

In ihrem Buch „Auftrag: Irreführung“ bestätigten die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter, dass ihre Abteilung diverse Buchprojekte von Hirsch mit „Argumentationshilfen“ und umfangreichen Geldbeträgen unterstützt hätte – zusammengerechnet mit mindestens 300.000 bis 500.000 DM. Ein Ermittlungsverfahren, das die Bundesanwaltschaft 1993 aufgrund der Rosenholz-Unterlagen – also der Kartei der Stasi-Westagenten – einleitete, wurde später wegen Krankheit des Beschuldigten eingestellt.

Seit 1980 gab Hirsch auch den alle vierzehn Tage erscheinenden Pressedienst Blick nach rechts heraus, ab 1984 im Auftrag der SPD. Das einst von der Stasi ins Leben gerufene Blatt existiert immer noch – inzwischen als Online-Portal.

(1) Bundesarchiv, B 285 Bild-14676 / Unknown / CC-BY-SA 3.0

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