Die Ostalgie beginnt im Bundestag

„Auf Wunsch der Kundschaft angeboten“ - Konservendosen der Firma MHV GmbH mit DDR-Staatswappen (Screenshot)

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat den Verkauf von DDR-nostalgischen Produkten bei Rewe kritisiert. Doch die Ursache der Verklärung des sozialistischen Regimes liegt im Unwillen des Gesetzgebers, Regelungen zu schaffen, die dies verhindern.

Von Hubertus Knabe

vgwort

Darf man mit Diktaturen Werbung machen? Ein Unternehmen namens „MHV GmbH“ in Sachsen-Anhalt meint: „Ja“ – und bedruckt seine Konservendosen seit Jahren mit dem DDR-Staatswappen. Mit dem nostalgischen Design versucht es, typische Gerichte aus der Zeit des Sozialismus wie Wurstgulasch, Eierfrikassee oder Soljanka an den Mann zu bringen.

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat jetzt die Kölner Rewe Group kritisiert, dass sie die so verpackten Konserven in ihren ostdeutschen Supermärkten anbiete. Als „Skandal“ und „Ausdruck von Geschichtslosigkeit“ bezeichnete es die Stiftung, dass die Pressestelle des Konzerns auf Anfrage dazu mitgeteilt habe, die Produkte würden „auf Wunsch der Kundschaft“ angeboten.

Die Kritik am zweitgrößten Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands schlug in den Medien große Wellen. Warum lediglich dieses Unternehmen angeschrieben wurde und nicht auch Kaufland und Edeka, die die Konserven nach Angaben des Herstellers ebenfalls „exklusiv“ anbieten, wurde nicht mitgeteilt. Vor allem aber ging unter, dass der eigentliche Verursacher des Problems nicht Rewe, sondern der Deutsche Bundestag ist. Denn der drückt sich bis heute davor, die Symbole der kommunistischen Diktatur genauso zu verbieten wie die des Nationalsozialismus.

Verursacher ist der Bundestag – Kochbücher mit DDR-Emblem in einem Berliner Buchladen

Dabei war das DDR-Wappen in der Bundesrepublik schon einmal untersagt. Als die kommunistische Volkskammer 1959 das kreisrunde Symbol aus Hammer, Zirkel und Ährenkranz zum Bestandteil der DDR-Fahne erklärte, wurde die Polizei in Westdeutschland dazu verpflichtet, die „Spalterflagge“ umgehend zu entfernen, wenn sie irgendwo gezeigt wurde. Auch die Symbole von KPD und FDJ wurden Mitte der 1950-er Jahre verboten und sind es formal bis heute.

Doch 1970 hoben die Innenminister auf Betreiben der sozialliberalen Koalition das Verbot der DDR-Insignien wieder auf. Auch die Friedliche Revolution, während der in Ostdeutschland das ungeliebte Symbol vielerorts aus den Fahnen herausgeschnitten wurde, änderte daran nichts. Nach der Wiedervereinigung scheuten sich dann Union und FDP, mit ihrer Mehrheit im Bundestag die DDR-Symbole zu verbieten, weil sie sich bei ostdeutschen Wählern nicht unbeliebt machen wollten.

2007 ergab sich noch einmal die Chance, das DDR-Wappen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Als die Bundesrepublik die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, wollte SPD-Justizministerin Brigitte Zypries die Symbole des Nationalsozialismus europaweit verbieten. Die mittel- und osteuropäischen Länder unterstützten den Vorschlag, wollten aber auch die kommunistischen Abzeichen einbeziehen. Die Bundesregierung aus Union und SPD lehnte dies ab, so dass es am Ende gar keine Regelung gab.

Verbot kommunistischer Symbole abgelehnt – Souvenirstand in Berlin mit Fahnen der DDR und der UdSSR

Erst nach dem Aufmarsch eines „Traditionsverbandes Nationale Volksarmee“ im Jahr 2013 in Berlin kündigte Unionsfraktionschef Volker Kauder an, über ein Verbot der DDR-Symbole nachdenken zu wollen. Ein CDU-Parteitag stimmte mit großer Mehrheit dafür. Politiker von SPD und FDP stellten sich jedoch vehement dagegen. Der Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder wies das Vorhaben als „unberechtigt, schädlich und lächerlich“ zurück und bezeichnete es als „radikale Intoleranz“. 2015 teilte die Bundestagsfraktion von CDU/CSU schließlich mit, dass sie den Plan aufgegeben habe.

So kommt es, dass in Deutschland das DDR-Staatswappen auf vielen einschlägigen Produkten prangt. Während in den meisten osteuropäischen Staaten die Symbole von Nationalsozialismus und Kommunismus verboten sind, misst die Bundesrepublik beim Umgang mit den vergangenen Diktaturen mit zweierlei Maß: Laut Paragraph 86a Strafgesetzbuch sind ausdrücklich nur die Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen verboten. Genau deshalb gibt es keine Konservendosen mit strahlenden Kindern in HJ-Uniform. Der lapidare Hinweis von Rewe, die Stiftung möge sich an die Justiz wenden, wenn sie in den Konservendosen einen Rechtsverstoß sehe, macht das Versäumnis des Gesetzgebers deutlich.

Falls Rewe, Kaufland oder Edeka vorhaben sollten, nach dem Ende des Krieges in der Ukraine auch dort Filialen zu eröffnen, sollten sie die sozialistisch verzierten Konservendosen aber lieber zu Hause lassen. Denn dort sind seit 2015 alle totalitären Symbole verboten – auch die DDR-Flagge.

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