1980 bis 1989

An dieser Stelle finden Sie ausgewählte Artikel von Hubertus Knabe von Januar 1980 bis Dezember 1989. Die Texte sind rücklaufend chronologisch angeordnet. Sofern sie online zugänglich sind, klicken Sie bitte auf den jeweiligen Link. Sie werden dann automatisch weitergeleitet. Andernfalls klicken Sie bitte auf den Link zum Download.


Ungarn zwischen Skylla und Charybdis

DDR-Flüchtlinge am Eingang der bundesdeutschen Botschaft in Budapest im Juli 1989 (Walter Fr.Schleser, CC0 1.0.)

DDR-Flüchtlinge sind nicht Ungarns einziges Dilemma / Wachsende Spannungen mit den Nachbarstaaten. Eine Analyse für die Berliner tageszeitung.

10.08.1989. DDR-Flüchtlinge, die an der ungarischen Grenze zu Österreich festgenommen werden, bekommen künftig keinen Stempel mehr in den Paß, der sie bei der Rückkehr diskriminiert. Dazu hat sich die ungarische Regierung aber erst nach langem Hin und Her – Druck kam aus Bonn wie aus Ost-Berlin – durchgerungen. Weiterlesen


UdSSR-Reformer werden radikaler

In Berlin tauschten sowjetische Wissenschaftler offene Worte über den weiteren Reformprozeß in ihrem Land aus / Mehrparteiensystem, Gewaltenteilung und unterschiedliche Eigentumsformen gefordert. Ein Bericht für die Berliner tageszeitung.  

02.05.1989. Allein das war eine kleine Sensation: Als die Elite der wissenschaftlichen Reformdiskussion in der Sowjetunion am Freitag vor die Berliner Presse trat, saß ein Mann wie selbstverständlich mit am Tisch, den die tschechoslowakische Führung mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt hatte – Zdenek Mlynar, Sekretär des Zentralkomitees während des Prager Frühlings. Weiterlesen


Testfall

Preiserhöhungen in Ungarn. Eine Analyse für die Berliner tageszeitung.

10.01.1989. Die angekündigten drastischen Preiserhöhungen in Ungarn sind ein erster Testfall für die neue Budapester Reformpolitik, die seit Mai letzten Jahres mit atemberaubendem Tempo vorangeschritten ist. Auf eine einfache Formel gebracht, beruht die ungarische Politik auf dem Tauschgeschäft: politische Freizügigkeit plus offene Kritik an der rumänischen Diktatur gegen das Aushalten größerer sozialer Spannungen. Weiterlesen 


„Gerechtigkeit für Imre Nagy“

1958 hingerichtet – Denkmal des ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy in Budapest 2016 (2019 demontiert)

Nach 30 Jahren die erste größere Gedenkdemonstration für den hingerichteten Ministerpräsidenten / Die neue ungarische Parteiführung reagierte mit brutalen Polizeieinsätzen. Ein Bericht für die Berliner tageszeitung.  

18.06.1988. Bei Demonstrationen für eine Rehabilitierung des vor 30 Jahren hingerichteten ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy ist es am Donnerstag in der Budapester Innenstadt zu brutalen Polizeieinsätzen gekommen. Damit sind die Hoffnungen enttäuscht, daß es unter der erst vor wenigen Wochen neugewählten, reformorientierten Parteiführung mit Ministerpräsident Karoly Grosz an der Spitze zu einem grundlegenden innenpolitischen Kurswechsel in Ungarn kommen würde. Weiterlesen


In Ungarn herrscht Reformmüdigkeit

Weder Oppositionelle noch Funktionäre reagieren auf Gorbatschow mit Euphorie / Für die Parteiführung hat Ungarn das Ende eines Weges erreicht, den die UdSSR gerade erst beschreitet / Gorbatschow hält an Parteichef Kadar als Vorzeigereformer fest. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.  

07.07.1987. Auch in Ungarn stellt sich seit dem Machtantritt von Michail Gorbatschow die Frage, welche Auswirkungen die neuen Moskauer Töne haben werden. Oppositionelle und Parteifunktionäre sehen gleichermaßen gebannt nach Osten, um Gefahr und Chance der Verschiebungen im Zentrum des Blocks frühzeitig wahrzunehmen. Langfristig, darüber sind sich alle im Klaren, wird über das weitere Schicksal des ungarischen Reformweges eben doch in der Sowjetunion entschieden. Weiterlesen


Kádárs Ablösung weiter verschoben

Die lustigste Baracke im Lager – Der ungarische Parteichef János Kádár beim Besuch einer Grundschule in Budapest 1985 (Foto: FORTEPAN / Angyalföldi Helytörténeti Gyűjtemény, CC BY-SA 3.0)

Etwa 40 Prozent der ungarischen Bevölkerung leben unterhalb des Existenzminimums. Unter dem neuen Ministerpräsidenten sollen die Ungarn den Gürtel noch enger schnallen. Eine Analyse für die Berliner tageszeitung.  

29.06.1987. Seit Ende der siebziger Jahre ist Ungarn tiefer und tiefer in die wirtschaftliche Krise gerutscht. Die Pro–Kopf–Verschuldung des Landes ist die höchste im Warschauer Pakt, Ungarn bewegt sich beständig am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Ein beträchtlicher Teil der Großbetriebe arbeitet permanent in den roten Zahlen, so daß vergangenes Jahr erstmals im sozialistischen Lager ein Konkursgesetz und die Einführung einer Erwerbslosenhilfe beschlossen wurden. Weiterlesen


2 1/2 Jahre für ungarischen KDVler

Revisionsgericht bestätigte die Strafbarkeit der Wehrdienstverweigerung / Tabu–Thema Kriegsdienstverweigerung erstmals in der Budapester Presse. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.  

30.05.1987. Die Szene hätte aus einem jener ungarischen Filme stammen können, die mit der Zeit des Stalinismus ins Gericht gehen: In Sträflingskluft und Handschellen betritt ein jugendlicher Angeklagter verschüchtert den Gerichtssaal mit dem Wappen der Volksrepublik Ungarn an der Stirnwand, dann kommen Richter, Staatsanwalt und Nebenrichter herein. Alle in Uniform und mit versteinerten Gesichtern. „Nehmen sie ihm die Handschellen ab“, bringt der Richter unwirsch hervor, „und stehen sie gerade, wenn ich mit ihnen spreche“. Weiterlesen


Kein grünes Licht aus dem Politbüro

Ungarns Umweltschützer wollen sich auf nationaler Ebene zusammenschließen und hoffen auf die Erlaubnis von oben / Selbst Demonstration mit Gasmasken und Flugblättern gegen die Luftverschmutzung konnte kürzlich in Budapest stattfinden / Umweltamt durchaus bereit, unabhängige Umweltorganisationen zu stützen. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

18.05.1987. Man hätte beinahe den Eindruck gewinnen können, es handele sich um ein ganz alltägliches Unterfangen. Letzten Dienstag kamen in Budapest rund hundert Menschen zusammen, um die Gründung des „Nationalen Umweltschutzvereins Donau“ vorzubereiten. Die Behörden hielten sich zurück, so daß mit beinahe langweilender Sachlichkeit die ehemals zerstrittenen oder getrennt arbeitenden Gruppen der ungarischen Öko–Bewegung ein Projekt diskutieren konnten, das die politische Atmosphäre in dem kleinsten Land des Warschauer Paktes nachhaltig verändern könnte. Weiterlesen


JWC–Präsident Bronfman gelassen

Denkmal für die während der Herrschaft der ungarischen Pfeilkreuzler getöteten Juden am Donauufer in Budapest

Der jüdische Weltkongreß endete im Streit zwischen europäischen und amerikanischen Juden um Waldheim–Affaire / 12.000 sowjetische Juden sollen demnächst ausreisen dürfen. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

09.05.1987. Der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg, der 1944 10.000 Budapester Juden das Leben gerettet hat und dann in sowjetischer Gefangenschaft verschwand, ist möglicherweise noch am Leben. Dies geht aus einer Botschaft der Schwester Wallenbergs hervor, die am Donnerstag bei einer Zeremonie des jüdischen Weltkongresses vor dem neu errichteten Wallenberg–Denkmal in Ungarn verlesen wurde. Weiterlesen


Höchststrafe für ungarischen KDVler

Erstmals Verweigerung politisch begründet / Oppositionskreise machen mit Komitee mobil / ai als Beobachter im Prozeß. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

29.04.1987. In der ungarischen Hauptstadt ist am Montag der 23 Jahre alte Englischlehrer und Untergrundverleger Zsolt Keszthely zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte sich geweigert, seiner Einberufung zum Militärdienst Folge zu leisten. Er erhielt die höchste Strafe, die nach ungarischem Recht für dieses Delikt verhängt werden kann. Weiterlesen


„Auf, Magyaren, die Heimat ruft“

5.000 Menschen demonstrierten in Budapest für Demokratie und nationale Identität / Polizei läßt Kundgebung unbehelligt Redner fordern Freiheit und Abzug der sowjetischen Truppen / Friedlicher Verlauf auch ein Erfolg für ungarische Innenpolitik. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

17.03.1987. Rund 5.000 Menschen haben am Sonntag in der ungarischen Hauptstadt an einer nicht genehmigten Demonstration aus Anlaß der bürgerlichen Revolution vom 15. März 1848 teilgenomen. Die Kundgebung, die auch als ein Test auf die ungarische Innenpolitik nach den neuen Signalen aus Moskau betrachtet wurde, verlief ohne Zwischenfälle. Weiterlesen


Erstmals öffentliche Diskussion über Tschernobyl in Ungarn

Verbotene Zone um das ehemalige sowjetische Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine 2013 (Foto: Sven Teschke)

Diskussion in der Budapester Universität mit Umweltschützern und Vertretern der Atomlobby / Kritiker fordern bessere Information und Erschließung friedlicher Energiequellen. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

07.02.1987. Mit mehr als neunmonatiger Verspätung fand am Donnerstag in der ungarischen Hauptstadt die erste öffentliche Diskussion über die Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe in der Sowjetunion statt. In einem internen Rundbrief hatte der Naturschutzklub der Budapester Lorand–Eötvös–Universität zu einem „Gespräch über die Atomenergie – Nach Tschernobyl“ eingeladen, zu dem rund 50 Interessierte erschienen. Weiterlesen


Neuer Protest gegen Donau–Staustufen

Ungarische und österreichische Umweltschützer geben im Kampf gegen Zerstörung der Donauauen nicht auf. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

15.01.1987. Ungarische und österreichische Umweltschützer haben erneut einen Anlauf unternommen, das geplante Staustufensystem an der Donau zu Fall zu bringen. Bei einer Pressekonferenz, die parallel in Budapest und Wien stattfand, stellten sie eine zweisprachige Broschüre vor. Die Bevölkerung wird darin über die befürchteten Schäden des Projektes aufgeklärt und aufgefordert, beim ungarischen Präsidialrat und beim österreichischen Nationalrat auf eine Revision der Pläne zu dringen. Weiterlesen


Die Ungarn entdecken den Müsli–Markt

Erster Öko–Laden des Ostblocks in Budapest eröffnet / Landwirtschaftliche Genossenschaften sollen bald eine Kette von „Natura“–Läden beliefern / Landwirtschaftsministerium will Öko–Produkte auf den westlichen Markt exportieren. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

18.12.1986. In der ungarischen Hauptstadt Budapest ist seit kurzem etwas ganz Erstaunliches nicht nur in Augenschein zu nehmen. Das erste sozialistische Müsli, konkurrenzlos auf dem osteuropäischen Markt zwischen Bratislava und Wladiwostok, wartet in einem „Natura“– Laden auf alternative Genießer. Eine erste Probe des Ost–Müslis durch den taz–Reporter verlief zufriedenstellend und endete mit einer Nachbestellung und der Verleihung eines Prädikats. Weiterlesen


Pazifismus unvereinbar mit der Kirche

Angepasste Kirchenführung – Kathedrale und Sitz des Erzbistums der Katholischen Kirche in Esztergom 2006

Ungarische Bischöfe fürchten um ihr Verhältnis zum Staat und gehen gegen die Kriegsdienstverweigerer in den Basisgemeinden vor. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

16.12.1986. Ein junger Mann klingelt eines Abends an meiner Budapester Wohnungstür. „Können Sie nicht etwas für die ungarischen Wehrdienstverweigerer tun?“, fragt er bescheiden. „150 von ihnen sitzen ständig im Gefängnis. Ich selber habe drei Jahre Haft hinter mir – mit 50 Menschen in einer Zelle, die für 12 oder 15 Personen gebaut wurde.“ Weiterlesen


„Tschernobyl ist ein Skandal für den Sozialismus“

Das harte Urteil der ungarischen Untergrundzeitung Beszeloe kennzeichnet die lebhafte Diskussion, die seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in Ungarn geführt wird / Gefordert wird eine bessere Information der Öffentlichkeit über politische Entscheidungen und größere Unabhängigkeit gegenüber der UdSSR. Ein Bericht aus Budapest für die Berliner tageszeitung.

22.09.1986. Es ist unschwer zu prophezeien: Die demonstrative Verständigung zwischen Ost und West über die weitere Nutzung der Atomenergie, die in diesen Tagen auf Anregung des deutschen Bundeskanzlers in Wien erzielt werden soll, dürfte eines Tages zu den negativsten Kapiteln der Entspannungspolitik zählen. Kaum anderswo setzt sich die „Koalition der Unvernunft“ mit solcher Unverfrorenheit über die Ängste und Interessen der Völker hinweg wie in diesem Punkt. Weiterlesen