Wie Lisa Paus die Deutschen umerziehen will

182 Millionen Euro für regierungsnahe Vereine - Familienministerin Lisa Paus bei der re:publica 23 in Berlin (1)

Familienministerin Lisa Paus hat dem Bundestag ein „Demokratieförderungsgesetz“ vorgelegt. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, FDP und Grüne verpflichtet, ein solches Gesetz zu verabschieden. Doch mit der Förderung von Demokratie hat das Vorhaben wenig zu tun.

Von Hubertus Knabe

vgwort

Folgt man Bundesfamilienministerin Lisa Paus, müsste es in Deutschland immer weniger Extremisten geben. Auch Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und anderes rechtsradikales Gedankengut müssten stark zurückgegangen sein. „Das Programm wirkt,“ behauptete die Grünen-Politikerin im Januar im Bundestag. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sei „der zentrale Anker für Demokratieförderung und Prävention gegen Extremismus.“

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Zwar hat Paus‘ Ministerium seit 2015 über eine Milliarde Euro für Maßnahmen „zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ ausgegeben. Die Kosten stiegen dabei von 40,5 auf 182 Millionen Euro pro Jahr, haben sich also mehr als vervierfacht. Gleichwohl nahm die Zahl der Rechtsextremisten seit 2015 um mehr als 70 Prozent zu, die der Islamisten verdoppelte sich sogar nahezu. Auch die AfD erzielt in Umfragen inzwischen dreimal so hohe Zustimmungswerte.

Quelle: https://www.demokratie-leben.de/das-programm/foerderperiode-2015-2019; https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2024/demokratie-leben-volltext.pdf

Für SPD und Grüne sind diese Zahlen kein Anlass, das millionenschwere Förderprogramm zu hinterfragen. Im Gegenteil: Sie drängen darauf, dass der Bund die Zahlungen verstetigt. Familienministerin Paus hat dazu zusammen mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dem Bundestag ein sogenanntes Demokratiefördergesetz vorgelegt. Die Mitarbeiter in den mehr als 5000 geförderten Vorhaben sollen dadurch einen „Zuwachs an Planungssicherheit“ erhalten, „insbesondere auch auf einen längeren Zeitraum angelegte Maßnahmen“ sollen gefördert werden. Nur weil sich die FDP sperrt, wurde das Gesetz bislang nicht verabschiedet. Das Familienministerium hat deshalb angekündigt, ab 2025 auch ohne gesetzliche Grundlage Projekte bis zu acht Jahre lang zu fördern.

„Zuwachs an Planungssicherheit“ – Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der re:publica 23 in Berlin (2)

Mit der Förderung von Demokratie hat das Gesetz indes wenig zu tun. Im Gegenteil: Es untergräbt das demokratische System der Bundesrepublik. Was auf den ersten Blick ehrenwert wirken mag, ist bei genauerem Hinsehen ein höchst problematisches Vorhaben.

Fehlende Förderkompetenz

Zum einen ist der Bundestag gar nicht befugt, ein solches Gesetz zu verabschieden. In Deutschland gilt der Grundsatz, dass das Bundesparlament nur darüber entscheiden darf, was die Länder nicht alleine regeln können. Das ist hier nicht der Fall. In einem Ende Februar vorgelegten Gutachten kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages denn auch zu dem Schluss: „Die vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig postulierten Kriterien für eine Kompetenz kraft Natur der Sache dürften vorliegend daher nicht gegeben sein.“ Eine Ausnahme, so heißt es weiter, hätten die Verfassungsrichter nur für die politische Bildung Jugendlicher zugelassen. Doch genau diese Beschränkung soll das Gesetz nun aufheben.

Auch der Bundesrechnungshof hat wiederholt auf die „fehlende Förderkompetenz des Bundes“ bei den Ausgaben für „Demokratie leben!“ hingewiesen. Tatsächlich sind die meisten Aktivitäten weder von überregionaler Bedeutung noch besteht ein erhebliches Bundesinteresse an ihnen, viele von ihnen wenden sich auch nicht nur an Jugendliche – Kriterien, die allesamt Voraussetzung für eine Bundesförderung wären. Seine rechtswidrige Förderpraxis kaschiert das Ministerium, indem es Vorhaben wie „Konflikt Kompetenz Osnabrück“ zu „Modellprojekten“ erklärt und aus erwachsenen Teilnehmern „Multiplikatoren“ macht.

Rechtswidrige Förderpraxis – Plakat einer Kampagne des Programms „Demokratie leben!“ 2020 in Berlin (3)

Zum Zweiten ist keineswegs sicher, dass die Zahlungsempfänger tatsächlich für die Demokratie eintreten. Die Pflicht, sich schriftlich zum Grundgesetz zu bekennen, wurde 2014 abgeschafft, nachdem die SPD das Familienministerium von der CDU übernommen hatte. Auch im Entwurf des Demokratiefördergesetzes gibt es keine solche Vorschrift. Paus hält die sogenannte Extremismusklausel für „überflüssig“, obwohl nicht wenige linke und muslimische Aktivisten zum Beispiel den Terror der Hamas mit Sympathie betrachten. Geld aus dem Programm erhielt unter anderem der Moscheeverband DITIB, dessen Vertreter sich wiederholt antisemitisch geäußert haben. Auch die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V. wurde unterstützt – obwohl dessen Initiator das vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Zentrum Hamburg war.

Projekte zur Bekämpfung des Linksextremismus wurden dagegen so gut wie nie gefördert. Dabei ist die Zahl linker und rechter Extremisten laut Verfassungsschutzbericht in Deutschland etwa gleich hoch. Dass die Bundesregierung ein einseitiges Verständnis von Extremismusprävention hat, zeigen schon die Fördersummen: So flossen 2021 in die Aufklärung über linken Extremismus insgesamt 1,3 Millionen Euro, in die über rechten Extremismus dagegen fast das Zwanzigfache, nämlich 22 Millionen Euro. Entsprechend hohe Summen landen bei linken Organisationen.

Dass deren Projekte tatsächlich der „Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ dienen, wie es im Gesetzentwurf heißt, ist unwahrscheinlich. Schon das linksalternative, oft aggressive Vokabular zahlreicher Projekte („Klappe auf!“, „Migrant*innen gegen Rassismus“,  „Peer4Queer“) dürfte auf viele Menschen eher abschreckend wirken. Nach einem Treffen mit dem „Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention“ berichtete Paus, dass dessen Mitglieder sogar vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt seien. Die politische Polarisierung in Deutschland – und das ist der dritte Kritikpunkt – dürfte sich durch das Gesetz nicht verringern, sondern verstärken.

Linksalternatives Vokabular – Screenshot der Website des Modellprojektes „Peer4Queer“ in Hamburg

Zielerreichungskontrolle nicht möglich

Die Wirkung des Programms empirisch zu überprüfen, ist allerdings gar nicht beabsichtigt. Bereits 2019 wies der Bundesrechnungshof das Familienministerium darauf hin, dass in dessen Richtlinie „die Förderziele nur sehr allgemein und vage beschrieben werden und so in einer Erfolgskontrolle nicht messbar sind.“ 2022 monierte er erneut, dass auf dieser Basis die in der Bundeshaushaltsordnung vorgeschriebene „sachgerechte Zielerreichungskontrolle nicht möglich“ sei. Bis heute finden sich in der Richtlinie jedoch nur unbestimmte Zwecke wie „Stärkung der Demokratie“, „Gestaltung von Vielfalt“ und „Vorbeugung gegen Extremismus“. Dieselben nicht messbaren Ziele stehen auch in Paus‘ und Faesers Gesetzentwurf.

Dass das Ministerium Millionenbeträge verteilt, ohne sich an die Vorschriften zu halten, ist dem Rechnungshof noch an anderen Stellen aufgefallen: Bei fast einem Fünftel der Projekte sei den Trägern der ohnehin geringe Eigenanteil von zehn Prozent der Kosten ganz oder teilweise erlassen worden. Weit über ein Drittel hätte außerdem nicht rechtzeitig nachgewiesen, wofür sie das Geld ausgegeben hätten, ohne dass dies Konsequenzen hatte. Ganze 67 Prozent der Nachweise seien nicht wie vorgeschrieben innerhalb von drei Monaten überprüft worden. Die „Normen und Werte des Grundgesetzes“, die Frau Paus und Frau Faeser mit ihrem Gesetz schützen wollen, spielen in der Vergabepraxis des Ministeriums offenbar nur eine geringe Rolle.

Noch ein weiterer Punkt lässt das geplante Gesetz eher wie das Gegenteil von Demokratieförderung erscheinen: Die von SPD und Grünen propagierte Vorstellung, der Staat müsse ihm genehme „zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure“ unterstützen, ist im Grundgesetz nirgendwo zu finden. Dass sich Regierungen gesellschaftliche Loyalität durch die Subventionierung von Vorfeldorganisationen erkaufen, entspricht eher der Praxis autoritärer Staaten. Wer Nichtregierungsorganisationen an den Tropf des Staates hängen will, fördert nicht die Zivilgesellschaft, sondern untergräbt sie.

Subventionierung von Vorfeldorganisationen – Veranstaltung des russischen Schülerverbandes „Wir sind die Ersten“

Noch bedenklicher ist freilich, dass der Bund laut Paragraph 3 des Gesetzes in Zukunft auch „eigene Maßnahmen“ zur Beeinflussung der Bürger durchführen will. Diese Art von Politisierung der Exekutive dürfte insbesondere bei ehemaligen DDR-Bürgern unangenehme Erinnerungen wecken. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach klargestellt, dass staatliche Organe in Deutschland zur Neutralität verpflichtet sind. Wer das ändern will, befördert, was er vorgibt zu bekämpfen: den Vertrauensverlust gegenüber einem Staat, der sich anmaßt, seine Bürger politisch umerziehen zu wollen.

Bildnachweis
(1) Andreas Pein / re:publica / CC BY-SA 2.0
(2) Steffen Prößdorf / CC BY-SA 4.0
(3) Hubertus Knabe

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