Kein Ort. Nirgends

Kein Erinnerungsort für DDR-Verfolgte - Denkmal für die Opfer des Kommunismus am Fuß des Petřín-Hügels in Prag (1)

Seit 30 Jahren warten die Verfolgten des Kommunismus auf ein Denkmal im Zentrum Berlins. Angeblich finde man keinen Standort, sagt die Bundesregierung. Immerhin haben sich die Parteien der Ampel-Koalition jetzt das Vorhaben überraschend zu eigen gemacht.

Von Hubertus Knabe

So zynisch es klingt: Manchmal bedarf es eines Krieges, um selbstverständliche politische Anliegen auf die Tagesordnung zu hieven. In Deutschland gilt dies nicht nur für die Landesverteidigung, deren Notwendigkeit viele Politiker erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine entdeckt haben. Auch in der Energieversorgung hat die Bundesregierung seit Kurzem erkannt, dass es „einfach dämlich“ ist (Robert Habeck), sich in existenzielle Abhängigkeit zu einem einzigen Lieferanten zu begeben.

Auch auf anderen Gebieten scheint es nun ein Umdenken zu geben. Mitte März legten die Regierungsparteien im Bundestag überraschend einen Antrag zur Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland vor. Das Vorhaben war im Koalitionsvertrag der Ampel vom Dezember 2021 noch nicht enthalten gewesen.

Stattdessen wollten SPD, Grüne und FDP ganz andere Erinnerungsorte schaffen: ein Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“, einen Begegnungsort für „die Opfer der Besatzung Polens“ und einen „Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus“ – allesamt Projekte, die noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammten. Seit dem Ukraine-Krieg erscheinen diese Vorhaben wie aus einer Welt von gestern.

Vorhaben wie aus einer Welt von gestern – Demonstration gegen den Ukraine-Krieg in Berlin im März 2022

Das Denkmal für die Kommunismusopfer hat dagegen ungeahnte Aktualität gewonnen. Es würde nämlich in Erinnerung rufen, dass auch Deutschland 1945 Opfer russischer Expansionsbestrebungen wurde. Was hierzulande jahrelang als Befreiung beschönigt wurde, war in Wahrheit die Unterwerfung halb Europas unter Stalins imperiale Machtgelüste. An diese Vergangenheit will Putin in der Ukraine jetzt wieder anknüpfen.

Bundestagsbeschlüsse wurden ignoriert

Verschleppt worden war das Vorhaben von der CDU. Schon bald nach dem Ende der DDR hatten Opferverbände ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus gefordert, zuletzt 2012 mit einer Unterschriftensammlung. 2015 und noch einmal 2019 sprach sich der Bundestag endlich dafür aus. Doch die zuständige Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, ignorierte die Beschlüsse. Obwohl der Bundestag die Bundesregierung im Dezember 2019 explizit aufgefordert hatte, innerhalb von drei Monaten ein Konzept vorzulegen, passierte nichts. Dann schob Grütters das Thema der Bundesstiftung Aufarbeitung zu. Im Juni 2020 ließ sie dort eine „Koordinierungsstelle“ einrichten.

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Diese Stelle legte nach weiteren sechs Monaten tatsächlich ein Papier vor. Allerdings enthielt es im Wesentlichen nur einen Namensvorschlag („Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“). Außerdem war darin zu lesen, dass das Mahnmal „dreidimensional“ sein und von einem „Informationsangebot“ begleitet solle. Die zentrale Frage, wo das Denkmal stehen und wie es aussehen solle, blieb dagegen unbeantwortet. Wichtige Opferorganisationen wie die Vereinigung der Opfer des Stalinismus waren zudem an der Ausarbeitung nicht beteiligt worden. Entsprechend kritisch äußerte sich im November 2021 die neue Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur

An der Ausarbeitung nicht beteiligt – Hugo Diederich, Geschäftsführer der Vereinigung der Opfer des Stalinismus 2016

Der Bundestag hatte Grütters 2019 auch beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zur Ausgestaltung zu beauftragen. Die Studie gibt es bis heute nicht. Im November 2021 begründete dies ihr Sprecher damit, dass dazu erst ein Standort gefunden werden müsse. Die Suche danach „dauert noch an.“ Demgegenüber hatte sich der Kulturausschuss des Bundestages bereits im Juni für ein Grundstück an der Heinrich-von Gagern-Straße in Berlin ausgesprochen.

Einen Standort gibt es bis heute nicht. Die Frage sei „bisher ungeklärt“, steht auf der Website der Koordinierungsstelle, oder – frei nach Christa Wolf – „Kein Ort. Nirgends„. Dementsprechend lässt auch die Machbarkeitsstudie weiter auf sich warten. Für beide Aufgaben werden in dem jüngsten Bundestagsbeschluss keine Fristen genannt. Die Bundesregierung wird lediglich aufgefordert, „die Suche nach einem Standort für das Mahnmal in zentraler Lage in Berlin weiter voranzubringen“. Außerdem solle sie den Ausschuss für Kultur und Medien „regelmäßig über den aktuellen Sachstand“ unterrichten.

Ob dies die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen dazu veranlassen wird, schneller zu agieren als ihre Vorgängerin, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch schon heute, dass viele Opfer des Kommunismus ein Denkmal, das ihr Schicksal würdigt, nicht mehr erleben werden.

Leseempfehlung: Anna Kaminsky (Hrsg.), Museen und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktaturen.

Bildnachweis
(1) High Contrast / CC BY 3.0 DE

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